Immer mehr Menschen steigen aufs E-Bike um – sei es für den täglichen Arbeitsweg, sportliche Abenteuer oder aus gesundheitlichen Gründen. Dabei fällt ein wichtiger Aspekt oft unter den Tisch: die richtige Sitzposition. Das kommt nicht von ungefähr, denn viele E-Biker:innen denken, dass ergonomische Dienstleistungen wie Bikefitting nur etwas für Rennradprofis oder Mountainbike-Cracks seien. Dabei lohnt sich ein professionelles Bikefitting gerade beim Pedelec ganz besonders. Warum das so ist, worauf es bei einem E-Bike-Fitting ankommt und worin sich dieses vom klassischen Rennrad-Fitting unterscheidet, erklärt Jule Grund, Mitarbeiterin beim Radlabor Freiburg und Bikefitting-Expertin bei Smartfit.
Die ergonomischen Besonderheiten beim E-Bike
„Ein E-Bike bringt viele Vorteile – aber auch neue Herausforderungen. Wer viel und lange fährt, merkt schnell: Schon kleine Fehlstellungen können zu großen Problemen führen. Rücken, Nacken, Hände oder Knie melden sich oft schneller als gedacht“, sagt Jule. Verantwortlich dafür sind die technischen Besonderheiten von Elektrorädern: „Im Gegensatz zum klassischen Fahrrad kommen beim E-Bike oft noch weitere Komponenten ins Spiel, die Einfluss auf die Sitzposition und Ergonomie haben – etwa der Motor, das höhere Gewicht oder zusätzliche Bedienelemente am Lenker. Gleichzeitig nutzen viele Menschen ihr E-Bike häufiger, länger und in vielfältigeren Situationen: fürden Arbeitsweg, auf Touren, im Gelände. Das macht eine gute Anpassung umso wichtiger“, fährt die Sportwissenschaftlerin fort.
Was passiert beim Bikefitting am E-Bike?
Grundsätzlich ist es das Ziel eines Bikefittings, die Kontaktpunkte zwischen Mensch und Maschine optimal aufeinander abzustimmen. Ein professionelles Bikefitting bei einem Institut wie dem Radlabor oder bei einer bzw. einem geschulten Fahrradhändler:in, der mit den Smartfit Bikefitting-Systemen arbeitet, beginnt dabei mit einer detaillierten Analyse der Fahrerin oder des Fahrers: Körperproportionen, Beweglichkeit, Sitzgewohnheiten und eventuelle Beschwerden werden erfasst. Anschließend wird das E-Bike so eingestellt, dass es optimal zu den individuellen Bedürfnissen passt – von der Sattelhöhe über die Lenkerposition bis hin zu den Kontaktpunkten wie Griffen und Pedalen.
Was bei einem Bikefitting eingestellt wird
Zu den zentralen Komponenten, die beim Fitting eingestellt werden, gehören vor allem die Sattelhöhe, die horizontale Sattelposition (also wie weit vorn oder hinten der Sattel sitzt), die Lenkerhöhe, die Sitzlänge (Abstand zwischen Sattel und Lenker), die Griffposition sowie die Stellung der Pedale und Cleats bei Klicksystemen. Alle diese Punkte beeinflussen, wie ergonomisch, effizient und komfortabel du auf dem Rad sitzt. Gut zu wissen: Schon kleine Abweichungen können spürbare Auswirkungen auf Haltung, Belastung und Fahrgefühl haben.
Was bei einem E-Bikefitting eingestellt wird
Diese klassischen Stellschrauben gelten auch beim E-Bike – doch es gibt zusätzliche Punkte, die speziell bei Elektrorädern berücksichtigt werden müssen. „Beim E-Bike spielen Komponenten wie der Motor-Schalter oder ein zusätzliches Display eine wichtige Rolle“, erklärt Jule. „Diese Bedienelemente müssen so angebracht sein, dass sie jederzeit gut erreichbar sind, ohne dass die Handhaltung oder die Sitzposition darunter leiden.“ Außerdem sollten sie sich ergonomisch in das Cockpit einfügen und nicht mit Brems- oder Schalthebeln in Konflikt geraten.
Bikefitting E-Mountainbike: Besonders wertvoll
Besonders bei E-Mountainbikes kommen weitere Aspekte hinzu: Lenkerbreite, Rise (Höhenanstieg des Lenkers), Back Sweep (Rückbiegung der Lenkerenden in Richtung Fahrer:in) oder Vorbaulänge (Abstand zwischen Steuerrohr und Lenkerklemmung) beeinflussen maßgeblich die Sitzhaltung und die Kontrolle über das Rad. „Viele E-MTBs haben ab Werk sehr breite Lenker. Das passt aber nicht zu jeder Körperstatur. Wer schmalere Schultern hat, bekommt damit schnell Probleme im Schulter-Nacken-Bereich“, sagt Jule. Auch die richtige Position und Neigung der Bremshebel ist entscheidend. Gerade beim E-MTB, das oft stärker beansprucht wird als ein klassisches Rad, lohnt sich der Blick aufs Detail.
Was unterscheidet das E-Bike-Fitting vom Rennrad-Fitting?
Während beim Rennrad-Fitting häufig Effizienz, Aerodynamik und Kraftübertragung im Fokus stehen, liegt der Schwerpunkt beim E-Bike klar auf Komfort, Kontrolle und Alltagstauglichkeit. E-Biker:innen sitzen in der Regel aufrechter, fahren in einem breiteren Spektrum an Terrains und sind oft länger unterwegs. Diese aufrechtere Haltung verändert nicht nur die Belastung der Muskulatur, sondern auch die Anforderungen an Cockpit und Sattelposition. „Beim Rennrad zählt jedes Watt – beim E-Bike zählt das Wohlbefinden“, bringt es Jule auf den Punkt. Der Grund: Beim E-Bike ist Motorunterstützung vorhanden, daher rückt die Effizienz in den Hintergrund, während Ergonomie und individuelle Passform in den Vordergrund treten. Das Ziel ist eine Position, mit der du entspannt, kontrolliert und ohne Beschwerden unterwegs sein kannst – ob im Stadtverkehr oder auf dem Trail.
Für wen lohnt sich ein E-Bike-Fitting besonders?
Kurz gesagt: für alle, die regelmäßig mit dem E-Bike unterwegs sind. Ob Pendler:in, Tourenfahrer:in, E-Mountainbiker:in oder Alltagsradler:in – ein individuelles Bikefitting kann Schmerzen vermeiden, Ermüdung reduzieren und die Freude am Fahren deutlich steigern. Besonders Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Beschwerden im Bereich von Rücken, Nacken, Händen oder Knien profitieren vom ergonomischen Feintuning. „Ein Bikefitting lohnt sich immer dann, wenn man länger beschwerdefrei fahren will“, sagt Jule. „Gerade beim E-Bike, das oft intensiver und vielfältiger genutzt wird als ein normales Fahrrad, machen schon kleine Anpassungen einen spürbaren Unterschied.“
Fazit: Kleine Justierungen, großer Effekt
Bikefitting beim E-Bike ist keine Spielerei, sondern eine sinnvolle Investition in mehr Fahrspaß, bessere Kontrolle und langfristige Gesundheit. Es hilft dabei, das volle Potenzial des E-Bikes auszuschöpfen – egal ob im täglichen Stadtverkehr, auf langen Wochenendtouren oder auf anspruchsvollen Trails mit dem E-MTB. Kurzum: Wer seine Sitzposition individuell anpassen lässt, fährt komfortabler, effizienter und deutlich beschwerdefreier. Schon kleine Justierungen an Lenker, Sattel oder Griffen können dabei spürbare Veränderungen bringen. Denn: Gut sitzen heißt besser fahren – besonders mit Motor, besonders auf Dauer.
Interview mit: Jule Grund