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Dirk Nowitzki, Venus Williams, Lewis Hamilton und Mike Tyson. Haben welche Gemeinsamkeit? Sie sind oder waren Hochleistungssportler und ernähren sich komplett vegetarisch und vegan. Auch Simon Stiebjahn, professioneller Mountainbiker aus dem Schwarzwald lebt seit geraumer Zeit nahezu vegetarisch und verzichtet immer mehr auf tierische Produkte. Wir haben ihn zu seinen Erfahrungen befragt.
Wie kam es dazu, dass du auf Fleisch verzichten wolltest?
Mit meinen Trainingsumfängen bewege ich mich am oberen Limit, der erwünschte „Durchbruch“ blieb aber trotzdem leider etwas aus, deshalb habe ich mich dazu entschieden an einer anderen Stellschraube zu drehen, um eventuell nochmal das berühmte letzte Prozent rauszuholen. Da erschien mir beim Thema Ernährung das größte Potenzial und so kam es zu dieser Entscheidung. Fleisch zu essen verlangt dem Körper einiges an Verdauungsleistung ab, hier erhoffe ich mir Leistungsreserven, wenn ich darauf verzichte.
Spielt die Nachhaltigkeit oder auch die Liebe zu Tieren dabei eine Rolle?
Thema Nachhaltigkeit spielt schon eine Rolle. Auch das Tierwohl, ich bin als Profi viel unterwegs und kann nicht immer bewusst einkaufen, so wie das zuhause möglich ist. Aber wie oben bereits geschildert, habe ich die Entscheidung vor allem aus sportlicher Sicht getroffen.
Merkst du einen Unterschied beim Training?
Ja, den merke ich definitiv! Sowohl im Training, aber auch in Wettkampfphasen. Es ist vor allem die Regeneration, die sich viel besser anfühlt. Gerade in längeren Trainingsphasen und bei Etappenrennen ist eine optimale Regeneration extrem wichtig, um am nächsten Tag wieder fit zu sein. Ich liege zum Beispiel nur noch selten mit 'schwerem' Magen im Bett, das war früher anders.
Vermisst du manchmal Fleisch?
Ja, manchmal fällt es mir schon schwer, gerade auch wenn man unterwegs in anderen Ländern essen geht, ist es nicht immer leicht auf der Karte auch etwas Vegetarisches zu finden. Aber ganz so eng sehe ich es auch nicht, wenn ich beispielsweise im Sommer beim Grillen mit Freunden Lust auf eine Curry Wurst habe, dann esse ich die auch. Wenn ich irgendwo eingeladen bin und in dem gekochten Gericht ist Fleisch, dann esse ich es ebenfalls, aber wo es geht vermeide ich es. Und vor allem in den wichtigen Saisonphasen ist das auch gut zu schaffen.
Wie bekommst du deine nötige Energie für den Tag?
Das funktioniert mittlerweile ohne Probleme, am Anfang ist es sicherlich eine Umstellung aber es gibt genügend Alternativen. Nüsse, Linsen, Kichererbsen, Sprossen, … alles gute Eiweißträger. Und da mittlerweile immer mehr Menschen vegetarisch leben, gibt es eine Fülle an Rezepten für leckere Gerichte. Da fällt meistens gar nicht auf, dass kein Fleisch dabei ist.
Wie sieht deine Nahrungsaufnahme über den Tag aus?
Morgens zum Frühstück gibt es meistens Haferflocken, Chiasamen, Nüsse und Obst. Mittag- oder Abendessen dann oft eine warme Mahlzeit. Abends dann gerne auch Vesper mit Salat und Käse. Bei Wettkämpfen und im Training natürlich Riegel usw., die sind ja meistens eh vegetarisch.
Musst du Nahrungsergänzungsmittel zu dir nehmen?
Bisher nicht. Vom Gefühl her fehlt es mir an nichts. Aber auch medizinisch sind bisher keine Mangelerscheinungen festgestellt worden. Mit meinem Team machen wir sowieso regelmäßig Bluttests, da gibt und gab es keine Defizite bislang. Klar typische 'Sportlernahrung' in Rennen und Training, wie Riegel, Gels und isotonische Getränke nehme ich natürlich zu mir, aber das habe ich ja vorher auch schon gemacht. Die zähle ich jetzt mal nicht unter Nahrungsergänzungsmittel, weil sie beim Profisport einfach dazu gehören.
Bist du eine Ausnahme im Profibereich oder kennst du viele Profiathleten die vegetarisch oder vegan leben?
Ich glaube es werden immer mehr. Vegetarisch lebende Sportler kenne ich mittlerweile einige, aber auch prominente Beispiele gibt es, die offensichtlich Anderen ein Vorbild sind. Selbst rein vegan lebende Sportler sind mir bekannt, auch das lässt sich anscheinend mit dem Profisport verknüpfen. Bewusste Ernährung ist sowieso ein großer Faktor im professionellen Sportbereich, da lässt sich wirklich noch was rausholen, was durch reines Training nicht so einfach ist, weil man sich dort meist schon an den Grenzen bewegt.
Kurzprofil: Simon Stiebjahn
Simon stammt aus dem Schwarzwald, ist deutscher Meister, U23-Europameister und Serien Bundesligasieger. Er kam über Fussball und Langlaufen mit 9 Jahren zum Radsport. Seit 2009 ist er MTB-Profi im Team Bulls. Mehr Infos über Simon findet ihr hier: simon-stiebjahn.com
Radlabor Tipps
Die Dokumentation ‚The Game Changers‘ auf Netflix gibt einen guten Einblick in die Thematik der pflanzlichen Ernährung im Profisport, ist aber recht einseitig pro veganer Ernährung gehalten. Trotzdem ein echter Denkanstoß, auch für Freizeitathleten. -> Netflix Link
Fundierte Anregungen zum Thema gesunde Ernährung und Aufklärung über Essensmythen findet ihr im Buch: 'How not to die' von Michael Greger und Gene Stone, echt empfehlenswert. (Gibt's auch in deutscher Übersetzung)
Fotos by Sebastian Stiphout